Die Krise der Informationsökosysteme: Herausforderungen und Chancen für die Demokratie in der digitalen Ära

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Das International Observatory on Information and Democracy in Paris hat seinen Bericht „Information Ecosystems and Troubled Democracy: A Global Synthesis of the State of Knowledge on New Media, AI and Data Governance“ veröffentlicht. Dieser untersucht die Wechselwirkungen zwischen Informationsökosystemen und Demokratie.

Zentrale Erkenntnisse des Berichts:

Basierend auf der Auswertung von über 1.600 meist wissenschaftlichen Quellen und der Mitarbeit von 60 Expert:innen wurden drei zentrale Themen analysiert:

  1. Medien, Politik und Vertrauen: Der Diskurs über Desinformation trägt zu wachsendem Misstrauen gegenüber Medien bei.
  2. Künstliche Intelligenz (KI) und Informationsökosysteme: Verzerrungen in den Trainingsdaten führen zu Vorurteilen in KI-Ergebnissen.
  3. Datenregulierung und Demokratie: Es fehlt an globalen Regulierungsmaßnahmen für das Datensammeln durch Unternehmen.

Der Bericht betont die Notwendigkeit verantwortungsbewusster und ethischer KI-Nutzung sowie transparenter Datenpraktiken, um die Demokratie in der digitalen Ära zu stärken.

Die „Informationskrise“ und deren Auswirkungen

Die Demokratie ist angeschlagen – das ist unbestritten. Umstritten bleibt jedoch die Rolle der Informationsökosysteme, die zur Fragilität der Demokratie und zur viralen Verbreitung von Fehlinformationen beitragen. Misstrauen gegenüber Online-Informationen wird allgemein als „Informationskrise“ bezeichnet.

Eine der analysierten Studien zu digitalen Nachrichten ergab:

  • 59% der Befragten sind besorgt darüber, echte von gefälschten Nachrichten zu unterscheiden.
  • 40% der Befragten vertrauen Nachrichten generell.
    • In Finnland liegt das Vertrauen bei 69% (höchster Wert).
    • In den USA: 32%, in Frankreich: 31%, in Griechenland und Ungarn: jeweils 23%.
  • 87% der Teilnehmenden äußern Sorgen über die Auswirkungen von Desinformation auf bevorstehende Wahlen (2023).

Die Rolle der Technologieunternehmen

Das Geschäftsmodell großer Technologieunternehmen basiert darauf, online Daten zu sammeln und diese gewinnbringend zu vermarkten. Dies fördert:

  • die virale Verbreitung von Fehlinformationen und Hassreden,
  • sowie die Manipulation von Informationen durch KI-Tools und Algorithmen.

Fehlinformationen und Desinformation sind nicht neu, jedoch wird ihre Verbreitung durch moderne Technologien erheblich beschleunigt. Gleichzeitig fehlt es an klaren Strategien, um sicherzustellen, dass Informationsökosysteme eine konstruktive demokratische Debatte fördern.

Divergierende Ansichten zur Technologieentwicklung

Die Meta-Analyse zeigt ein Spannungsfeld auf:

  • Einige Forschende begrüßen den raschen digitalen Wandel und erwarten, dass die negativen Auswirkungen mit der Zeit abnehmen.
  • Andere betonen, dass die Entwicklung und Nutzung neuer Technologien von ungleichen Machtverhältnissen geprägt ist, die es auszugleichen gilt.

Fazit

Der Bericht verdeutlicht die dringende Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit, um ethische Standards für KI und Datenregulierung zu schaffen. Nur so kann die Demokratie in der digitalen Ära gestärkt und geschützt werden.

Weitere Informationen und der vollständige Bericht sind auf der Website des Forums für Information und Demokratie verfügbar.

Quelle:

https://observatory.informationdemocracy.org/wp-content/uploads/2024/12/rapport_forum_information_democracy_2025.pdf (abgerufen am 16.01.2025)

5 Kommunikationstrends für 2025 – Menschlichkeit, Kreativität und Authentizität sind zentral für professionelle und erfolgreiche Kommunikation

Nach zwei Jahren KI-Hype (Hallo, ChatGPT!) zeichnet sich eines klar ab: Menschen wollen keine Roboter-Texte, sondern echte, menschliche Kommunikation. Wie kann professionelle Kommunikation also in Zukunft gelingen?

Ich halte diese fünf Punkte für zentral, um die professionelle Kommunikation authentisch zu gestalten:

  1. Menschliche Ansprache: In einer zunehmend digitalisierten Welt suchen Menschen nach menschlichen Interaktionen – nicht nach Roboter-Kommunikation. Der Hype um ChatGPT scheint zu kippen. Viele sind enttäuscht oder gar genervt von generischen Antworten des Chat-Bots.
  2. Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI): Miriam Meckel sagte bei Kress.de vor kurzem, dass sie keinen ihrer LinkedIn-Posts mit KI schreibe. „Ich möchte dieses uninspirierte Zeug nicht lesen. Ich suche nach dem, was überraschend und ungewöhnlich ist. Gute Kommunikation wird künftig „Denkwerk“ sein, das sich vom Einheitsbrei klar differenzieren lässt.“ (https://kress.de/news/beitrag/148643-ki-expertin-meckel-ich-schreibe-keinen-einzigen-linkedin-post-mit-chatgpt.html) Ich finde, da hat sie einen wichtigen und richtigen Punkt. Generische Texte sind langweilig. Keiner möchte das ständig lesen. Aber manchmal ist ein erster Entwurf von einer KI eine willkommene Inspiration für einen kreativen Schreibprozess, der zu authentischen Texten führen kann. Außerdem wird KI wird zunehmend in der PR eingesetzt, um Routineaufgaben zu automatisieren. Dies ermöglicht es PR-Profis, sich auf strategischere Aufgaben zu konzentrieren. Denken werden wir weiterhin selbst (müssen). Gut so.
  3. Zunahme von Deepfake-Technologien: Mit der Weiterentwicklung von KI und Deepfake-Technologien wird es immer einfacher Fakenews zu produzieren. Für PR-Profis wird entscheidend sein, die Authentizität von Inhalten sicherzustellen und Falschinformationen entgegenzuwirken. Die Rezipienten werden wachsamer und kritischer sein müssen und sich immer wieder die Fragen stellen: Stimmt das? Kann das sein?
  4. Wachsende Bedeutung von LinkedIn: LinkedIn etabliert sich weiter als zentrale Plattform für Personal Branding, Employer Branding und professionelle Vernetzung. Die aktive Nutzung dieser Plattform ermöglicht es Fachleuten, ihre Expertise zu teilen und wertvolle Kontakte zu knüpfen. Dabei ist eine professionelle und authentische Darstellung der eigenen Fähigkeiten und Expertise von entscheidender Bedeutung.
  5. Micro-Influencer-Marketing: Die Zusammenarbeit mit Micro-Influencern, die über spezialisierte und engagierte Zielgruppen verfügen, wird an Bedeutung gewinnen. Diese Partnerschaften ermöglichen authentischere und zielgerichtetere Kampagnen.

Gestalten wir also in diesen dynamischen Zeiten die professionelle Kommunikation im kommenden Jahr 2025 weiterhin authentisch, menschlich und somit erfolgreich.

Quellen:

https://www.prdaily.com/the-biggest-communications-storylines-for-2025/ (18.12.2024) https://prlab.co/blog/pr-trends-2025/ (18.12.2024)

https://kress.de/news/beitrag/148643-ki-expertin-meckel-ich-schreibe-keinen-einzigen-linkedin-post-mit-chatgpt.html (18.12.2024)

Lizenzfreies Foto: https://p2.piqsels.com/preview/228/1010/440/artificial-intelligence-robot-ai-ki.jpg

Von Kate, Krebs und Krisenkommunikation

Foto: Ricky Wilson https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Catherine_Elizabeth_Middleton_(colorized).jpg

In der vergangenen Woche hat Kate Middleton, Prinzessin von Wales, ihre Krebserkrankung in Form eines Videostatements öffentlich gemacht. Der Zeitpunkt war bewusst gewählt. Die Nachricht erreichte die Öffentlichkeit an einem Freitag um 18 Uhr: Prinzessin Kate hat Krebs.

Die 42-Jährige überbrachte die Nachricht selbst. In einem rund zweiminütigen Videostatement sprach sie über „unglaublich harte Monate“. Nach ihrer Operation im Januar seien Tests durchgeführt worden, diese hätten die Krebsdiagnose ergeben. „Mein Ärzteteam riet mir daher zu einer vorbeugenden Chemotherapie, und ich befinde mich jetzt in der Anfangsphase dieser Behandlung“, so Prinzessin Kate. Es war ein bewegendes, ein herzzerreißend offenes Statement, das daraus folgende Mitgefühl mit der dreifachen Mutter war enorm. Für Millionen Menschen weltweit herrscht nun Klarheit.

Béla Anda schrieb dazu auf LinkedIn: „Die Entscheidung, diese Nachricht privat zu halten, bis sie und ihre Familie bereit waren, sie zu teilen, zeigt eine bemerkenswerte Stärke und ein tiefes Engagement für ihre Nächsten. Insbesondere der Wunsch, ihre Kinder schonend auf diese Nachricht vorzubereiten, macht ihre Prioritäten klar – als Mutter inmitten ihrer öffentlichen Rolle.“ Prinzessin Kate habe ihr Schweigen gebrochen und somit Mut bewiesen und Charakterstärke gezeigt.

In dem emotionalen Video teilte sie die schweren persönlichen Herausforderungen mit, mit denen sie und ihre Familie konfrontiert waren und sind (Unterleibsoperation und Krebs-Diagnose).

Das Video-Statement und die Entwicklungen der vergangenen Wochen sind aus Sicht der Krisenkommunikation auf unterschiedlichen Ebenen bemerkenswert:

Bisher galt die royale Kommunikationsregel „never complain, never explain.“ Prinzessin Kate sollte über Wochen und Monate aus der Öffentlichkeit verschwinden, bis die Krise überwunden ist. Aber ist das heutzutage noch die richtige Strategie? zdf.de schrieb dazu: „Der Journalist und Autor mehrerer Bücher über die britischen Royals, Robert Jobson, äußert Zweifel daran, ob diese Strategie klug ist. In einem Gespräch mit Journalisten in London sprach er von einem „Zusammenbruch der royalen Kommunikation“, der dem Ansehen der gesamten Königsfamilie schade. Es sei geradezu naiv gewesen, zu glauben, dass Kate für mehrere Monate einfach von der Bildfläche verschwinden könne.“

Warum? Weil durch dieses Verhalten der Royal Family in den vergangenen Wochen die dunkle Seite der sozialen Medien und der öffentlichen Diskussion zu Tage gefördert wurde. Spekulationen und geschmacklose Debatten sind inzwischen an der Tagesordnung.

Manipuliertes Foto zurückgezogen

Verschlimmert wurde die Situation durch den unbeholfenen Versuch, die Sorgen um Kate mit einem Familienfoto der Prinzessin und ihren Kindern zu zerstreuen. Das am britischen Muttertag herausgegebene Bild wurde innerhalb von Stunden von internationalen Nachrichtenagenturen zurückgezogen. Es sei manipuliert worden, so die Begründung. Dass mehrere große Nachrichtenagenturen wie AP, AFP und Reuters ein offizielles, vom Kensington Palast herausgegebenes Foto wegen des Verdachts der Manipulation zurückziehen, hatte es so noch nicht gegeben.

Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätte eine professionelle Krisenkommunikation einsetzen müssen. Es war der Moment, der alles aus dem Ruder laufen ließ. Doch was macht der Palast? Er schickt Kate in die Schusslinie. Die 42-Jährige selbst muss am 11. März zurückrudern, sich entschuldigen: „Wie viele Amateurfotografen experimentiere ich gelegentlich mit der Bearbeitung. Ich möchte mich für die Verwirrung entschuldigen“, gibt sie zu Protokoll. Das Foto wurde bisher jedoch nicht in seiner ursprünglichen Form veröffentlicht.

Kommunikative Lehren aus #kategate

Der Hype zeichnet ein erschreckendes Bild vom Verlangen der Öffentlichkeit nach royalen Bildern und Nachrichten – aber eben auch von einer Medienarbeit des Palastes, die nicht die Mechanismen des Social-Media-Zeitalters verstanden hat. Rückblickend muss man sagen, dass die Kommunikationsstrategie des Kensington-Palastes einige bemerkenswerte Fragen aufwirft und gleichzeitig Lehren bietet. Die Berichterstattung in den britischen Zeitungen kann der Palast noch halbwegs kontrollieren, denn es ist bekannt, dass das Königshaus Absprachen mit der Presse trifft. Mit den Nutzerinnen und Nutzern der sozialen Medien geht das nicht. Was passiert, wenn der Palast ein Informationsvakuum entstehen lässt – wie es im Fall von Kate in den vergangenen Wochen geschehen ist – hat der Palast nun sehr deutlich zu spüren bekommen.

Stellt sich die Frage, warum der Kensington-Palast die Kontrolle über seine Kommunikation verloren hat. Warum wurde auf Shitstorms nicht sofort reagiert? Krisen kündigen sich oft in den Sozialen Medien an.

Der Faktor Zeit spielt bei Krisenkommunikation eine wichtige Rolle. Jeder und jede ist gut beraten, schnell auf eine Krise zu reagieren. Präsenz zeigen, Vertrauen schaffen, Transparenz herstellen. Auch wenn es kaum Fakten zu kommunizieren gibt. Wegducken geht nicht. Aussitzen und Schweigen funktioniert nicht mehr. Das sind Kommunikationsstrategien der Vergangenheit. Denn das heizt heutzutage nur die Gerüchteküche in den Sozialen Medien an.

Viel klüger hat sich die Royal Family nach der Krebsdiagnose von König Charles III. verhalten. Diese wurde schnell öffentlich bekannt gegeben und der 75-Jährige wurde anschließend beim Lesen von Genesungswünschen gezeigt. Das schafft Nähe und Sympathie.

Daher ist es richtig, dass die königliche Familie die überkommenen Kommunikationsregeln gebrochen und sich erklärt hat.

Quellen: tagesschau.de ; zdf.de; stern.de; t-online.de; https://www.youtube.com/watch?v=jKSss3fDY2g

Generative AI und Kommunikation: Keep calm, it’s just technology.

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Vielleicht bin ich (mal wieder) zu naiv. Aber der „Hype“, der seit Monaten um ChatGPT und andere generative KI-Tools gemacht wird, fängt mich langsam an zu nerven. Es ist doch nur Technologie. Aber der Reihe nach…

Das Thema Künstliche Intelligenz in der Kommunikationsarbeit beschäftigt mich schon eine Weile. Um genau zu sein, habe ich vor mindesten vier Jahren mit meinem damaligen Vorgesetzen darüber gesprochen. Seitdem habe ich mich in das Thema eingelesen. Dies ist schwer genug, weil dazu viel veröffentlicht wird – gerade in letzter Zeit. Aber vieles davon ist noch nicht wirklich substanziell. Kein Wunder. Ist ja alles neu.

Wirklich? (Schwache oder starke) Künstliche Intelligenz wird seit Jahren im Monitoring, der Big-Data-Analyse fürs Stakeholder-Mapping oder auch bei der Reichweitenmessung/Evaluation von Kommunikation eingesetzt. Richtig eingesetzt, kann KI die Effizienz steigern, große Datenmengen analysieren, kreative Impulse liefern. Die Technologie kann ein lernendes System in der strategischen Kommunikation ermöglichen und so die Kommunikationsarbeit kontinuierlich und in Echtzeit zu verbessern. (vgl.: https://prjournal.instituteforpr.org/wp-content/uploads/Wiencierz-Roettger_Big-Data-in-Public-Relations-A-Conceptual-Framework_PR-Journal.pdf, 2019)

Tools, die euch Texte schreiben, gibt es auch nicht erst seit ChatGPT. Aber generative KI und die Qualität von ChatGPT von OpenAI und dem Chatbot „Bard“ von google sind neu und beeindruckend. Zumindest wenn man richtig damit umgeht.

Faktor Mensch: Es braucht den prüfenden Blick

Auf den Zweiten Blick muss man allerdings feststellen, dass die Texte und Fakten, die von der Technologie ausgespuckt werden, nicht immer vollumfänglich überzeugend sind. Eigentlich ist das nicht überraschend, denn ChatGPT ist im Grunde genommen nur Wahrscheinlichkeitsrechnung. Das „Halluzinieren“ von ChatGPT ist ein Problem, denn die Falschinformationen werden als Tatsachen von der Technologie präsentiert und fallen nicht immer als Fake News auf. Das ist nicht schön, aber gleichzeitig beruhigend. Warum? Weil ich dadurch die aktuellen Unkenrufe nicht teilen kann: Wir werden nicht alle unsere Jobs verlieren. Meine These: Zumindest in absehbarere Zeit wird generative KI die Arbeit von uns Kommunikator:innen nicht vollständig ersetzen. Auch wenn die Systeme schnell dazulernen. (Frag‘ mich in 5 oder 10 Jahren noch einmal.)

Offenbar sehen das auch viele Kolleg:innen so. In der Studie „Künstliche Intelligenz in der strategischen Kommunikation“ von Kristin Hansen heißt es: „Während drei von vier Befragten der Meinung sind, KI werde ihren Beruf verändern, glaubt nur ein Drittel, dass die Routinearbeit der eigenen Kommunikationsabteilung oder -agentur beeinträchtigt werde, oder dass sich der eigene Beruf ändere, unzureichende Kompetenzen des Personals und fehlende Infrastrukturen werden (…) als größte Hürde für den Einsatz identifiziert.“ (Hansen, 2023, Seite 11).

Es gibt Faktoren, die immer den prüfenden Blick des Menschen brauchen. Zum Beispiel bei folgenden Fragen:

  • Stimmen die Fakten? Ist die Story wirklich plausibel? Gibt es logische Fehler?
  • Ist die Story wirklich die, die wir als Kommunikatoren in der Öffentlichkeit erzählen wollen? Passt sie zur Unternehmensstrategie und den Unternehmenszielen?
  • Sind alle rechtlichen und ethischen Standards korrekt eingehalten? Ist der verantwortungsvolle Umgang mit Daten gewährleistet?
  • Würde es bei dieser Story „innenpolitische“ Verwerfungen in der Organisation geben?

Ich bleibe dabei: Wir werden unsere Jobs (erstmal) nicht verlieren. Aber unser Arbeitsalltag wird sich stark verändern: Wir müssen uns auf die disruptive Entwicklung, die generative KI auslöst, vorbereiten und uns weiterbilden. „Professionelle Kommunikator:innen sind daher aufgefordert, sich zum Thema KI weiterhin zu informieren und fortzubilden.“ (https://www.prethikrat.at/wordpress_dev/wp-content/uploads/KI-Leitfaden.pdf, 2023) Wer sich künftig nicht mit generativer KI und seinen rechtlichen, ethischen und technologischen Veränderungen auskennt, wird in Agenturen und Kommunikationsabteilungen vermutlich schlechte Karten haben. Diese Kompetenzen werden gebraucht. Aber wer damit gut bis sehr gut umgehen kann, wird auf dem Arbeitsmarkt gute Chancen haben.

Ethischer Einsatz von generativer KI, Transparenz und Vertrauen

Die „klassischen Prinzipien“ ethischer PR werden weiterhin richtig und wichtig sein. Sie dürfen meines Erachtens nicht vernachlässigt werden. Der ethische Einsatz von generativer KI ist für unsere Arbeit unabdingbar (Stichwort: „Responsible AI“). Denn nur so bleibt die Glaubwürdigkeit der Kommuniaktor:innen erhalten. „Insgesamt ist der ethische Einsatz von generativer KI unabdingbar, um die Glaubwürdigkeit der PR-Branche zu erhalten bzw. zu verbessern. Er stärkt außerdem die Rolle der PR-Professionist:innen in einer sich dynamisch verändernden Umwelt.“ (https://www.prethikrat.at/wordpress_dev/wp-content/uploads/KI-Leitfaden.pdf, 2023).

Transparenz, Vertrauen und Glaubwürdigkeit sind zwingende Gelingensbedingungen unseres Berufes. Diese Diskussionen können (bisher) nur wir Menschen selbst führen. Die Gefahr, dass durch generative KI Fake News und Desinformationen inflationär werden, ist groß. „Laut einer Studie des Bundesverbandes Deutscher Pressesprecher haben 45% der professionellen Kommunikatoren in Deutschland in ihrer täglichen Arbeit mit Hate Speech durch KI in den sozialen Medien zu tun, bei der es vermehrt zu Rechtsverstößen kommt.“ (Hansen, 2023, Seite 11).

Daher werden Recherchefähigkeiten und das Prüfen von Fakten noch wichtiger in unseren Beruf, als sie sowieso schon sind. Hinzu kommt, dass alle Kommunikator:innen meiner Meinung nach immer transparent machen müssen, wenn generative KI bei der Kommunikationsarbeit gesetzt wurde und wird.

Das Prüfen und Finalisieren der Texte von ChatGPT wird bleiben. Das „Vier-Augen-Prinzip“ zwischen Mensch und Maschine ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Kommunikationsarbeit. Nur so bleibt unser Berufsstand glaubwürdig und genießt weiterhin Vertrauen. Unternehmen und Organisationen stehen vor der Entscheidung, ob sie sich diese Qualität in der professionellen Kommunikationsarbeit leisten wollen.

Durch den richtigen Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz kann außerdem mehr Raum für Kreativität entstehen, weil Routine-Arbeiten von der Technologie erledigt werden können. „Der Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz (KI) transformiert die Kommunikationsbranche nachhaltig. Idealerweise werden dadurch repetitive Handlungen reduziert und neue Ressourcen für kreative, strategische High-Level-Arbeit geschaffen.“ (https://www.prethikrat.at/wordpress_dev/wp-content/uploads/KI-Leitfaden.pdf, 2023)

Es gibt also viele Chancen, die sich durch den Einsatz von generativer KI ergeben. „Jeder vierte (Kommunikationsexperte – Anm. d. A.) sieht zwar Chancen für die strategische Kommunikation und PR, demgegenüber stehen aber die ethischen Herausforderungen und Bedrohungen – nicht nur für die Organisationen und deren Reputation, sondern auf für die Gesellschaft und die öffentlichen Debatten.“ (Hansen, 2023, Seite 45-46)

Die disruptiven Veränderungen sind eine spannende Zeit für alle professionellen Kommunikator:innen. Unsere Arbeit wird sich verändern. So wie sich die Arbeitswelt nach der Erfindung des Buchdrucks, der Dampfmaschine, des Computers und des Internets auch verändert hat.

Fazit:

„Generative KI bietet zweifellos bemerkenswerte Chancen für die professionelle Kommunikationsarbeit. Sie kann die Effizienz steigern, personalisierte Inhalte liefern und kreative Impulse geben. Dennoch dürfen die damit verbundenen Risiken nicht ignoriert werden, insbesondere in Bezug auf Qualitätskontrolle, Ethik und den Verlust menschlicher Kreativität. Eine ausgewogene Nutzung von generativer KI erfordert eine kluge Integration in den Arbeitsprozess, bei gleichzeitiger Wahrung menschlicher Integrität und Verantwortung. Es liegt an den Kommunikationsprofis, die richtige Balance zwischen Technologie und Menschlichkeit zu finden, um das volle Potenzial der generativen KI auszuschöpfen.“ (ChatGPT, 2023)

Dieses Fazit hat ChatGPT geschrieben. Der Textabschnitt ist gut, aber auch kein Wunderwerk. ChatGPT basiert auf Wahrscheinlichkeitsrechnung. Nicht mehr und nicht weniger. Das dürfen wir alle nicht vergessen. Spannend ist es trotzdem. Wir sollten meiner Meinung nach den aktuellen Veränderungen neugierig, offen und konstruktiv gegenübertreten.

Kurzum: Kein Grund zur Panik… locker bleiben. It’s just technology.

Quellenhinweis:

Hansen, Kristin. (2023). Künstliche Intelligenz in der strategischen Kommunikation: Eine qualitative Untersuchung ethischer Herausforderungen und normativer Erwartungen zur Gestaltung eines ethisch verantwortungsvollen Ansatzes. Quadriga Media Berlin.

https://www.prethikrat.at/wordpress_dev/wp-content/uploads/KI-Leitfaden.pdf, 2023, abgerufen am 28.08.2023.

https://prjournal.instituteforpr.org/wp-content/uploads/Wiencierz-Roettger_Big-Data-in-Public-Relations-A-Conceptual-Framework_PR-Journal.pdf, 2019, abgerufen am 28.08.2023.

Beyond Thought Leadership – Muss sich Unternehmenskommunikation neu aufstellen?

In Zeiten von Ukraine-Krieg und Corona-Krise stellt man immer öfter fest, dass sich CEOs* persönlich politisch äußern und in den gesellschaftlichen Debatten positionieren. Meist tun sie dies in den Sozialen Medien. Der Terminus „The Social-CEO“ wird dann gern bemüht. Soziale Medien dienen in diesen Fällen als Quelle für Feedback und Seismograf für die Stimmung „da draußen“. Beim Klimawandel funktioniert gesellschaftspolitisches Thought Leadership, und nichts anderes ist es, in der Regel gut. Beim Thema Ukraine-Krieg wird das schon schwieriger. Hier muss man sich positionieren. Und was ist, wenn das Unternehmen in oder mit Russland Geschäfte macht? Thought Leadership kann hier die Dramatik erhöhen. Stellt sich die Frage, wie politisch darf oder muss der CEO eines Unternehmens heutzutage wirklich sein? Und wie muss sich die Kommunikationsarbeit der Organisation dadurch verändern? Eine mögliche Antwort: „Beyond Thought Leadership“ – wie ich es nenne.

Natürlich, Thought Leadership ist eine wunderbare Gelegenheit, auf der Welle der Agenda zu surfen und mit der eigenen Marke in den Medien durchzudringen. Das ist heutzutage immer schwieriger, denn wir alle ertrinken regelrecht in einer Flut aus Informationen. Also, wie kann man in Anbetracht der sekündlich zunehmenden Informationsflut als Organisation mit seinen Botschaften und Fakten medial durchdringen, die Zielgruppe erreichen und sein Publikum von der Wertigkeit der eigenen Informationen überzeugen?

Ist es klüger, den CEO lediglich im eigenen Fachgebiet als Experten zu positionieren oder doch als engagierte Stimme in gesellschaftspolitischen Debatten? Wenn er das tut, macht sich der CEO (damit auch das Unternehmen und die Marke) möglichweise mehr und mehr zum gesellschaftspolitischen Meinungsmacher und weniger zum Experten auf dem eigenen Fachgebiet. Mit der politischen Positionierung macht er sie sich gegebenenfalls angreifbar und riskiert die nächste Krisenkommunikation – bis hin zum veritablen Shitstorm.

Thought Leadership ist ein klassisches Kommunikations-Tool für eine erfolgreiche CEO-Positionierung. Ja, ich weiß. Wieder so ein englischer Ausdruck, bei dem erst einmal keiner außerhalb der Kommunikationsbranche weiß, was dahintersteckt. Und wieder so ein Begriff der in der Kommunikations-Blase inflationär genutzt wird. Also, ich sortiere das mal eben: Bei einem Thought Leader handelt es sich um eine Einzelperson (oder eine Organisation), deren Wissen und Positionen in ihrem Fachgebiet als richtungsweisend gelten (DIM). Sie vereint die Reichweite eines „Influencers“ mit der Kompetenz eines Experten (DIM). Über bloße Eigenwerbung und die Teilnahme an aktuellen fachlichen Debatten hinaus gibt Thought Leadership eigene, innovative Impulse und vermittelt eine klare, zukunftsorientierte Vision (vgl. DIMNeuenRynne). 

Damit schafft sie einen Mehrwert für das Unternehmen. Denn laut “B2B Thought Leadership Impact Study” aus dem Jahre 2021 von Edelman und LinkedIn ist Thought Leadership nach wie vor entscheidend für die Kundenbindung. Thought Leadership ist somit ein wesentlicher Bestandteil jeder erfolgreichen Content-Marketing-Strategie. Sowohl B2C- als auch B2B-Unternehmen können von den vielen Vorteilen von Thought Leadership profitieren, um einen wettbewerbsfähigeren Ruf aufzubauen. 46 Prozent der Käufer sagen in der Studie, dass Thought Leadership wichtig sein kann, um den Ruf eines Unternehmens zu reparieren. Letztlich kann dies zu mehr Umsatz führen.

Vertrauen, Content und Storytelling

Ein Thought Leader, ein Unternehmen und eine Marke brauchen vor allem eines: Vertrauen. Das Vertrauen der Zielgruppe. Glaubwürdigkeit und Vertrauen gehören also zu den übergeordneten Kommunikationszielen von Thought Leadership (Rynne). Wenn die Käufer die Gedanken und Ideen des Unternehmens verstehen und sich mit ihnen identifizieren, fangen sie an, das Unternehmen als zuverlässige Marke zu vertrauen. Und das kann mehr Umsatz bedeuten. Denn laut ITSMA geben 75 Prozent der potenziellen Käufer an, dass Thought Leadership ihnen bei der Entscheidung hilft, bei welchem Anbieter sie ein Produkt kaufen (LinkedIn). 

Sowohl für Einzelpersonen als auch für Strategien auf Organisationsebene gilt dabei: „Menschen vertrauen Menschen“ (NeuenSchwaner). Authentizität und Konsistenz sind daher unerlässlich (Rynne). Um das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit von Entscheidungsträgern zu gewinnen, bedarf es wiederum einer starken Vordenkerrolle – vor allem, wenn man kein etablierter Marktführer ist. Laut B2B Thought Leadership Impact Study von Edelman und LinkedIn sagen65 Prozent der Käufer, „dass Thought Leadership die Wahrnehmung eines Unternehmens aufgrund einer Vordenkerrolle erheblich verändert hat.“

Um Vertrauen zu gewinnen, braucht man neben einem langen Atem auch sehr guten Content. Dieser muss erstklassig aufbereitet sein. Quellen sollten transparent sein, damit jeder Rezipient nachvollziehen kann, woher die Informationen stammen. Das kann Kritik von außen und dem nächsten mehr oder weniger großen Shitstorm vorbeugen. Denn laut Edelman Trust Barometer 2022 sinkt das Vertrauen der Öffentlichkeit in etablierte Institutionen. Diese Erosion sorgt für eine Instabilität der Gesellschaft. Edelman nennt das „Cycle of Distrust“. Da überrascht es nicht, dass eine falsche Meldung oder Äußerung schon ausreicht, um das Vertrauen der Kunden nachhaltig zu zerstört und den Umsatz einbrechen lassen kann. Das Kundenbedürfnis wird immer anspruchsvoller, die Gesellschaft immer komplexer, Fake News vermehren und verbreiten sich sehr schnell in den Sozialen Medien. 

Um im Meer aus minderwertigen Informationen nicht unterzugehen, ist auch die Art und Weise, wie der Content zur Zielgruppe gelangt entscheidend. Wichtig ist es, regelmäßig Präsenz zu zeigen, Stellung zu beziehen und sich mit relevanten, hochwertigen Inhalten von der Masse abzuheben (SchwanerDIMRynneLinkedIn/Edelman). 

Von Thought Leadership zu Beyond Thought Leadership

Thought Leadership steigert den Bekanntheitsgrad einer Person, aber auch einer Marke sehr effektiv. Um diese Ziele zu erreichen, müssen sich der Thought Leader und die Unternehmenskommunikation vor dem Hintergrund der veränderten Rahmenbedingungen neu aufstellen. Hier kommt Beyond Thought Leadership ins Spiel! Beyond Thought Leadership denkt die „klassische CEO-Positionierung“ weiter. Denn durch die moderne Omni-Channel-Kommunikation ist klassisches Thought Leadership heutzutage schon fast gar nicht mehr von einem einzelnen CEO zu leisten. Auch alle anderen Mitarbeitenden im Unternehmen können und sollten in diese Kommunikations-Strategie einbezogen werden, um den zentralen Botschaften „ein Gesicht [zu] geben“ (ThomsNeuenSchwaner).

Dafür hilft es, die Corporate Identity klar intern zu kommunizierten und von den Mitarbeitenden Story-Telling zu nutzen. Das Ergebnis wird dabei nicht immer perfekt, aber echt sein. Denn jeder Mitarbeiter bringt andere kommunikative Fähigkeiten mit. Das hat Implikationen auf HR und Corporate Communications. Diese beiden Abteilungen rücken näher zusammen, um letztlich ein positives Employer Branding zu generieren.

Aber auch bei Beyond Thought Leadership gilt: Als zentrale Figur der Organisation eignen sich weiterhin Vorstandsmitglieder besonders gut, da ihre Wahrnehmung ohnehin stark mit der Reputation der Organisation verbunden ist, aber auch andere Mitarbeitende sind als Multiplikatoren eine wertvolle interne Ressource (NeuenSchwanerBartl;Rynne). Hier sind eine kluge Personalauswahl und Personalentwicklung gefragt. Denn die Mitarbeitenden und Führungskräfte müssen zusätzliche kommunikative Fähigkeiten und Talente mitbringen. 

Auch bei Beyond Thought Leadership ist sehr gutes Storytelling gefragt. In der Art und Weise, wie die Botschaften erzählt werden, wird ein Gleichgewicht zwischen Autorität und Provokation, aber auch zwischen menschlichem Ton und Spaß geschaffen. Hier gilt: „Act like a User“. Emotionen einsetzen! Aber Vorsicht! Es ist schwer immer den richtigen Ton zu finden. Je nach Thema oder Situation kann man schnell über das Ziel hinausschießen. Haltung kann manchmal auch Zurückhaltung bedeuten. Sonst ist die Reputation schnell dahin.

Neues und konsistentes Kommunikationsmanagement

Diese komplexen Anforderungen verlangen von der Kommunikationsabteilung ein solides, konsistentes und konsequenten Kommunikationsmanagement quer durch die gesamte Organisation. Vielleicht ist echtes Thought Leadership deswegen so selten. Vielleicht aber auch, weil es ein solides Vordenken braucht. Inhaltlich, organisatorisch, aber auch gesellschaftspolitisch. 

Thought Leadership besteht aus Ideen die Aufmerksamkeit erfordern, die Orientierung oder Klarheit bieten und die Menschen in unerwartete, manchmal konträre Richtungen führen können. Thought Leadership muss lehrreich und idealerweise auch mal provokativ sein. So kann man sich und seine Organisation langfristig als Thought Leader etablieren – eine Position, die gerade in Krisenzeiten von großem Wert ist (Schwaner).

Für Beyond Thought Leadership gelten diese Regeln weiterhin, aber Beyond Though Leadership setzt darüber hinaus eine kontinuierliche und ehrliche Überprüfung der Unternehmenskultur und Kommunikations-Strategie voraus. Dazu sollten der CEO oder die Geschäftsführung nicht nur einmal im Jahr eine Mitarbeiterbefragung durchführen, sondern jeden Tag in die Organisation „hineinhorchen“. Beyond Thought Leadership braucht außerdem ein Frühwarnsystem, um Reputationsrisiken zu minimieren. Hierbei geht es um den „Rauchmelder“ in der Kommunikationsabteilung und nicht um den Feuerwehrmann, der durch Krisenkommunikation versucht den Reputations-Brand zu löschen, wenn die Presse vor dem Werkstor steht und kritische Fragen stellt.

Angesichts des zunehmenden Wettbewerbs um Aufmerksamkeit und der sich rasch ändernden Käuferpräferenzen, eines steigenden Fachkräftemangels und einer immer kritischer werdenden Belegschaft sollte von der Kommunikationsabteilung permanent überprüft werden, ob die Thought-Leadership-Strategie der Organisation den Bedürfnissen moderner Kommunikation, der Kunden und Zielgruppen noch entspricht. Wenn sich Kommunikationsabteilungen gegebenenfalls neu aufstellen und aus Thought Leadership Beyond Thought Leadership wird, kann dies im Meer der Informationen einen strategischen Beitrag zum Unternehmenserfolg erzielen. 

*Hinweis: Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

Content Marketing in Krisenzeiten

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Kommunikatoren, Pressesprecher und Marketingexperten planen ihre Veröffentlichungen, Kampagnen und Strategien immer bis ins kleinste Details. Alle wenden viel Energie auf, um an alles und an jede Kleinigkeit zu denken. Vor allem glauben sie, dass sich die ganze Arbeit lohnen und auszahlen wird. Ein Misserfolg? Undenkbar! Nicht bei dieser Kampagne! Das ist die beste Kampagne, die es je gegeben hat.

Aber: Was ist, wenn plötzlich doch eine Kampagne aus dem Ruder läuft oder ein Rückschlag passiert? Na klar: Planung anpassen. Wenn später alles erledigt ist, können die Ergebnisse ansehen und anhand der Zahlen analysiert werden. Was hat funktioniert und was nicht? Daraus werde dann die berühmten Lessons learned abgeleitet, um die nächste Kampagne noch besser zu machen. 

Manchmal können wiederum Dinge passieren, die kein Marketing- und Kommunikations-Team kontrollieren kann. Weltereignisse oder irgendeine Art von unvorhersehbarer Katastrophe. Wie zum Beispiel die aktuelle Corona-Krise. An diesem Punkt kommt eine ganze Reihe von Plänen zum Stillstand oder muss zumindest geändert werden. Planungen und Veranstaltungen werden verschoben, zum virtuellen Event umgeplant oder vielleicht ganz abgesagt. Lieferketten reißen ab. Die Produktion steht still. Abgesagte Messen sorgen für fehlende Leads und Aufträge bei Unternehmen. (Quelle: https://www.more-fire.com/blog/online-marketing-in-krisenzeiten/)

Stellt sich die Frage, ob die Marketing- und Kommunikationsverantwortlichen jetzt weitermachen können wie bisher? Gerade eine Krise wäre zwar die Zeit der Kommunikation. Aber wenn ein Unternehmen sparen muss, spart es oftmals vorrangig zuerst am Marketing-Budget. 

Aber wie muss sich Content-Marketing in einer solchen Zeit verändern?

Dass sich das Content-Marketing in dieser Zeit verändern muss, steht meiner Meinung nach außer Frage. In Krisenzeiten muss es sachlicher zugehen, weniger emotional und weniger zugespitzt. Gerade vermeidbare Zuspitzungen würden Vertrauen zerstören und und die Glaubwürdigkeit einer Marke verletzen. Denn die Zielgruppen sind sensibler. Zu viel Aggressivität, Ironie oder Emotionalität könnten sogar zu einem Reputationsrisiko werden.

Die Folge: Vieles im Unternehmen und in der Kommunikationsabteilung muss jetzt neu bewertet werden. Jeden Tag. Möglicherweise sogar stündlich. Das Marketing-Team muss sich überlegen, welche Prioritäten jetzt zu setzen sind. Manche Kommunikationsprojekte sind in Arbeit, die nicht einfach fallen gelassen werden können, weil sie die Marke irgendwann brauchen wird? Aber vielleicht gibt es auch Projekte, die nicht zeitkritisch sind und erst einmal „on hold“ gestellt werden können. Das ist der Moment, an dem Entscheidungen getroffen werden werden müssen. Dabei spielt Zeit eine wichtige Rolle.

Wie kann in der Krisenlage schnell und klug entscheiden werden?

Die Antwort auf diese Frage ist nicht einfach. Es gibt keinen standardisierten Projektplan, den ein Kommunikations- und Marketingteam abarbeiten können. Jede Krise ist anders. Und doch gibt es Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel: Jetzt ist Flexibilität gefragt. Vieles hängt von der Situation ab, davon, was das Team, die Marke und die Zielgruppen wirklich brauchen, um einen echten Mehrwert zu bekommen. Es werden schwere Entscheidungen zu treffen sein, oft unter schwierigen und verwirrenden Umständen. Aber wie?

Einen Schritt zurücktreten. Bei schweren von außen kommenden Krisen mit ebenso schwerwiegenden Folgen ist Zurückhaltung geboten. Man kann nicht einfach weiter kommunizieren, als wäre nichts gewesen. Das würde respektlos oder leichtfertig wirken. Die Ereignisse, die passieren, sollten ernst genommen werden. Inhalte müssen von den Verantwortlichen jetzt genau überprüft werden. Denn bei schweren Krisen wird es möglicherweise schwierig, mit anderen Themen und Inhalten in den Medien durchzudringen – zumindest am Anfang einer Krise. Die Zielgruppen und die Zielmedien erwarten außerdem etwas Anderes. Aber irgendwann kommt der Punkt, wo auch wieder andere Themen und Inhalte gebraucht werden. Gerade zu Beginn einer Krise sollten sich die Inhalte jedoch größtenteils mehr darauf konzentrieren, wie sie den Menschen bei allen Problemen helfen können, die sie während dieser Krisensituation erleben.

Qualität vor Quantität: Welche Inhalte auch immer während einer Krise veröffentlicht werden sollen, der Nutzwert und die Qualität sind entscheidend. Außerdem sollte nicht zu viel auf einmal veröffentlich werden. Das Informationsbedürfnis der Zielgruppe ist zwar hoch und die Mediennutzung steigt in der Regel. Aber man darf die Zielgruppen nicht überfordern. Jeden Tag kommen im Minutentakt Eilmeldungen auf die Smartphones. Das kann schnell nerven. Also besser: wohl dosiert kommunizieren und sorgfältig die bestehenden Inhalte überprüfen. 

Passen die Inhalte jetzt noch in die Zeit, oder wirken sie fehl am Platz? Können die Inhalte aktualisiert und auf die neue Situation angepasst werden? Wo muss nachgearbeitet werden? Was muss ganz und gar eingestampft werden? 

Ja, auch dass muss eventuell entschieden werden. Denn, wenn der Inhalt nicht mehr relevant ist, und die Zielgruppe andere Dinge im Kopf hat, dann ist es für die Reputation der eigenen Marke vielleicht besser und angebrachter, gar nicht zu veröffentlichen.

Tonalität: Besonders entscheidend ist die Tonalität der Kommunikation im Allgemeinen und der anstehenden Veröffentlichungen im Speziellen. Einige inhaltliche Aussagen sind vielleicht im Moment einfach nicht angebracht.Emotionen sind in der Kommunikation gut. Aber vielleicht nicht in jeder Situation. Jetzt ist die Zeit für Sachlichkeit. Wenn es sich um eine ernste Angelegenheit handelt, können Humor und Witz dem einen oder anderen den Tag verschönern. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass in einer Krise Sorgen und Ängste auch bei der Mehrheit der Zielgruppe vorherrscht und sie sich nicht abgeholt oder auch nicht ernstgenommen fühlt. Hier ist also Vorsicht geboten. Es braucht viel Fingerspitzengefühl, um den richtigen Ton zu treffen. Es sollte der Eindruck vermieden werden, dass irgendwo Menschen Not und Leid erfahren und dass dies vielleicht auf die leichte Schulter genommen wird. In solchen Situationen funktioniert meist: Sachlichkeit und Klarheit. Keine Schnörkel. Keine Wortspiele. Sondern wasserdichte Fakten und eindeutige Formulierungen. Das ist es, was die Zielgruppe in einer solchen Zeit braucht und erwartet.

Einfühlungsvermögen und Sensibilität: Folgendes gilt natürlich auch, wenn keine Krisenzeit ist. Aber wenn Krise ist, gilt es umso mehr: Beim Schreiben von Inhalten muss sich das Team in die Lage der Zielgruppe versetzen. Was machen die Menschen gerade durch? Wie kann der Inhalt den Menschen aktuell helfen? Was hat die Zielgruppe für einen Mehrwert von dem Inhalt? Was wird während einer Krise als respektlos oder irrelevant empfunden? Welche Informationen können beruhigen?

Feedback von Teamkollegen. Auch dies gilt nicht nur in Krisenzeiten, aber gerade in der Krise können die individuellen Erfahrungen der Teammitglieder sehr nützlich sein. Krise braucht immer die Kreativität der vielen. Und wenn die Krise die eigene Organisation betrifft, arbeitet das gesamte Kommunikationsteam an einer Messaging- und Kommunikationsstrategie zur Bewältigung der Krise. Auch hier sollte möglichst das Wissen vieler kreativer Köpfe einbezogen werden. Diese haben vielleicht noch eher das Ohr an den Leuten und können die Kommunikationspläne einschätzen und bewerten. Es ist keine schlechte Idee, ein weiteres paar Augen auf die Inhalte blicken zu lassen.

Letztlich haben haben alle Krisen eines gemeinsam: Sie sind irgendwann zu Ende. Ganz sicher. Die Frage ist nur: Wann?

Was bedeutet die Corona-Krise für Kommunikation?

hands with latex gloves holding a globe with a face mask

Die Corona-Krise stellt professionelle Kommunikatoren vor enorme Herausforderungen. Dabei greifen einige Regeln der Krisenkommunikation auch in diesen ungewöhnlichen Zeiten. Besonders die Langfristigkeit des Themas braucht Kreativität seitens der Kommunikatoren, um erstens Zuversicht zu geben und zweitens gleichzeitig die Aufmerksamkeit bei den Zielgruppen aufrechtzuerhalten. Ein Überblick.

Allgemeine kommunikative Herausforderungen in Krisenzeiten

Eine Krise verläuft immer anders, als man denkt. Unterschiedliche Krisen haben durchaus Parallelen und ähnliche Entwicklungen. Zum Beispiel schwinden Vertrauen in Informationen, Institutionen, handelnde Personen. Glaubwürdigkeit geht verloren. Gleichzeitig wächst das öffentliche Interesse, Empörung macht sich breit, ein Hype in den Medien setzt ein und die Reputation des Unternehmens oder der Organisation wird mehr oder minder unfreiwillig geschwächt. Trotz dieser Gemeinsamkeiten entwickeln sich Krisen aber nicht linear. Nicht selten ist der kommunikative Umgang mit der Krise selbst die wahre Herausforderung. Deshalb wird die Krisenkommunikation auch als „Königsdisziplin der Kommunikation“ bezeichnet.

In Krisenzeiten gilt es, transparent, offen, Fakten basiert und konsistent zu kommunizieren. Und das zeitnah und basierend auf den Bedürfnissen und Erwartungen der Zielgruppen. Krisen verlangen nach Antworten und Aufklärung. Transparenz und Offenheit schaffen Sicherheit und bewahren die eigene Glaubwürdigkeit. Der Faktor Zeit ist dabei entscheidend. Im Idealfall werden Vertrauen und Glaubwürdigkeit in den ersten 72 Stunden in der Zielgruppe etabliert. Krisenkommunikation liefert Informationen und stellt den Dialog zu wichtigen Meinungsbildnern und Multiplikatoren her. Sie schafft und fördert Verständnis, erläutert Sinnzusammenhänge, antizipiert Bedürfnisse und Erwartungen einer interessierten Öffentlichkeit und formuliert auf Basis überprüfbarer Fakten entsprechende Antworten.

Bitte nicht leugnen, verschleiern oder vertuschen. Keineswegs sollte Krisenkommunikation dazu genutzt werden, Informationen zurückzuhalten, sie zu verschönern oder gar manipulativ zu instrumentalisieren. Durch scheibchenweise Enthüllungen wird die Krise unnötig verlängert. Das haben wir beispielsweise bei der Kredit-Affäre von Ex-Bundespräsident Christian Wulff erlebt. Auch wenn Informationen und Einschätzungen binnen kürzester Zeit revidiert werden müssen, wird das Vertrauen nachhaltig geschwächt. Dies gilt es zu vermeiden. (Marktforschung.deDaulBuschardtStaub/StaubKaminskiSieversals/ire/dpawuv.de).

In Zeiten der Krise sollte sachlich kommuniziert werden. Emotionen sind meist fehl am Platz und sollten sparsam eingesetzt werden. „Selbstverständlich kann man auch Emotionen und Emotionalität gezielt einsetzen, aber dies kann Konsequenzen haben, die den ursprünglichen Absichten nicht entsprechen. Außerdem erschöpft sich Emotionalität ziemlich schnell und führt dann nicht zu den beabsichtigten Verhaltensänderungen“, sagt Prof. Dr. Ralph Hertwig, Direktor Forschungsbereich Adaptive Rationalität, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin (sciencemediacenter.de).

In Krisenzeiten kommuniziert meist der CEO persönlich. Krise ist Chefsache! Hierbei werden auch unbequeme Wahrheiten sachlich ausgedrückt – ohne Panik zu verbreiten. Dabei muss eine Balance aus Empathie für die Situation und sachlicher Information gefunden werden (PörksenDaul).

Krisenkommunikation der Politik während der Corona-Pandemie

Prof. Constanze Rossmann, Expertin für Gesundheitskommunikation an der Uni Erfurt, erklärt: „Behörden und Politik machen aus meiner Sicht in dieser gesundheitlichen Krisensituation einen guten Job. Das Robert Koch-Institut genauso wie andere relevante Gesundheitsinstitutionen haben das Virus und seine potenzielle Verbreitung von Beginn an ernst genommen und sich frühzeitig damit auseinandergesetzt, was zu tun ist. Nachdem sich die infizierten Fälle in Deutschland nicht mehr auf einen Ort begrenzt haben, wurde ein Krisenstab eingerichtet und seitdem regelmäßig in Pressekonferenzen informiert, die die Bevölkerung auch direkt über Live-Streams mitverfolgen kann. Dabei wird klar kommuniziert, was die Behörden bislang gesichert sagen können, aber auch, was – etwa aus epidemiologischer Sicht – noch unklar ist. Gleichzeitig wird kommuniziert, was die Behörden tun, um das Problem einzugrenzen und was die Bevölkerung tun kann, um sich zu schützen. Die Botschaften, die hier kommuniziert werden, sind dabei auch weitgehend 

übereinstimmend. Auch nutzen die Behörden neben klassischen Verbreitungswegen, wie Pressekonferenzen und damit traditionelle Medien, auch soziale Medien, um Informationen zu verbreiten“ (mdr.de).

Bundeskanzlerin Angela Merkel appellierte in ihrer TV-Ansprache zur Corona-Epidemie an die Vernunft der Deutschen. Jeder zweite Deutsche (50 Prozent) hat die Ansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel am 18.03.2020 im Fernsehen verfolgt. Nur sieben Prozent der Befragten geben an, von der Rede nichts mit bekommen zu haben (yougov.de). Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach vom „Krieg“ gegen Corona: Wie kommunizieren Politiker erfolgreich in Krisen? Angela Merkel hat eine Ausgangssperre als letztes Mittel nur angedeutet, als sie sagte, sie werde „stets neu prüfen (…), was womöglich noch nötig ist“. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kommunizierte deutlicher, kündigte eine Ausgangssperre für Bayern konkret an. Sicher sind Abwägen und Moderation Merkels Markenzeichen, aber offenbar ist der Ernst der Lage bei so manchem noch nicht angekommen, sodass es vermutlich richtig ist, den Menschen die möglichen Konsequenzen ausbleibender Verhaltensänderungen sehr klar und eindeutig zu vermitteln.

Die Deutschen erwarten von Politikern klare, pragmatische und nüchterne Aussagen. Eine Kriegsmetapher, wie Macron sie in Frankreich verwendet hat, ist eher ungewöhnlich – das sieht man auch an der Aufmerksamkeit für den Begriff „Bazooka“, den Finanzminister Olaf Scholz benutzt hat, um seine Milliardenhilfen zu umschreiben (zeit.de). Alles in allem wurde in dieser Phase der Krise nicht komplett einheitlich kommuniziert, sondern dezentral. Wenn dies langfristig so bleibt, können daraus kommunikative Schwierigkeiten erwachsen.

Die Verantwortung wurde früh personalisiert. Jens Spahn hat regelmäßig mit den Experten vom Robert Koch-Institut informiert. Seit es richtig ernst wurde, hat Angela Merkel übernommen. Alle Beteiligten tragen ruhig vor und geben Wissenslücken und Unsicherheiten zu. Zum Beispiel, wenn die Experten nicht die Dunkelziffer der Infizierten wissen oder gar nicht wirklich prognostizieren können, wie sich die Situation entwickelt. Aber klar ist: Diese Situation ist auch für die Politiker neu.

Die Arbeit von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn von der CDU wird laut dem ARD-Deutschlandtrend von jedem zweiten Deutschen positiv bewertet: 51 Prozent der Bürger sind mit seiner Arbeit zufrieden, sieben Punkte mehr im Vergleich zum Vormonat. Seine Bekanntheit in der deutschen Bevölkerung stieg im selben Zeitraum ebenfalls um sieben Punkte von 83 auf 90 Prozent.

Wenn im Kontext von Gesundheitskrisen kommuniziert wird, haben wir es immer mit Risiko-Informationen zu tun. Hier besteht grundsätzlich das Problem, dass sich viele schwer damit tun, Risiken richtig einzuschätzen und zu verstehen. Wir unterliegen alle gewissen Risiko-Verzerrungen, die dazu führen, dass wir manche Risiken unterschätzen, andere überschätzen. Zum Beispiel überschätzen wir Risiken, über die viel kommuniziert wird, und solche, die wir als unkontrollierbar wahrnehmen. Hinzu kommt, dass viele grundsätzlich nicht gut mit statistischen Zahlen umgehen können. Wichtig ist es daher, möglichst wenig von Wahrscheinlichkeiten zu sprechen, sondern eher absolute Zahlen zu verwenden. Dies geschieht im aktuellen Corona-Kontext in der Tat sogar recht oft. Allerdings fehlt hierbei wiederum ein Anker. Was bedeutet es denn, wenn weltweit über 92.000 Fälle bekannt sind, die an COVID-19 erkrankt sind? Ist das viel oder wenig? Betrachtet man im Vergleich dazu die jährlichen Influenza-Raten, ist das immer noch nicht besonders beunruhigend. Diese Information fehlt aber oft. „Vor der Influenza hat die Bevölkerung wieder letztlich zu wenig Angst, weshalb sich zu wenig Menschen dagegen impfen lassen“, so Constanze Rossmann, Expertin für Gesundheitskommunikation an der Uni Erfurt (mdr.de).

In Krisensituationen werden Fehler gemacht. Aber es ist ein Qualitätsmerkmal von Demokratien, wenn sich Politiker in ihren Einschätzungen von einem auf den anderen Tag korrigieren. Wenn Überlegungen zu weitreichenden Maßnahmen – zum Beispiel, wenn es um die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Deutschen geht – nicht sofort kommuniziert, sondern erst mal intern besprochen und durchdacht werden. Viele Menschen sind sehr ängstlich, es gibt Hamsterkäufe und gute Politik bedeutet eben auch, die Menschen nicht zu überfordern. Die Bürger müssen nicht alle Krisenszenarien kennen, die die Bundesregierung und die Bundesländer jetzt ausarbeiten, die verschiedenen Möglichkeiten und Optionen, die sie durchspielen. All das gehört erst in die Öffentlichkeit, wenn davon etwas wirklich umgesetzt wird. Absolute Transparenz ist nicht immer richtig: Die Verantwortung von Entscheidungsträgern liegt auch darin, Panikreaktionen zu vermeiden, wenn sie zu vermeiden sind. Denn Panik führt in Krisensituationen zu weiteren Problemen, etwa wenn die Menschen plötzlich zu große Summen Bargeld abheben. Da muss man abwägen. Sätze wie der von Thomas de Maizière („Teile meine Antwort würden Sie verunsichern.“) tragen nicht zur Deeskalation bei. Dann lieber kommunizieren wie Helmut Schmidt, der einmal auf die Frage, ob Politiker lügen dürften, antwortete: „Nein, lügen dürfen sie nicht. Sie müssen aber auch nicht alles sagen, was sie wissen.“

Mediennutzung während der Corona-Krise

Verlässliche Informationen sind zu Krisenzeiten besonders wertvoll (Deutschlandfunk). Es ist daher kaum verwunderlich, dass die Einschaltquoten von Nachrichten- und Sondersendungen in den Qualitätsmedien Rekordzahlen erreichen. Die Tagesschau der ARD zum Beispiel übertraf bereits ihren Jahreshöchstwert (Heindpa). Das Coronavirus wird zum wichtigsten Thema der Medien. Fast jeder zweite Deutsche (45 Prozent) findet jedoch, dass die Medien zu viel über das Coronavirus berichten. 36 Prozent finden, dass der Umfang der Berichterstattung durch die Medien angemessen ist (yougov.de). Knapp ein Drittel (27 Prozent) sagt, aufgrund des Coronavirus mehr Fernsehen zu schauen als gewöhnlich. Der Großteil (54 Prozent) allerdings gibt an, dass sich der Fernsehkonsum aufgrund des Coronavirus nicht verändert habe (yougov.de).

Wissenschaftler und Mediziner sind die vertrauenswürdigsten Stimmen in Zeiten der Corona-Krise, so das Ergebnis des aktuellen Edelman Trust Barometers: 68 bis 83 Prozent der Befragten geben an, dass sie Wissenschaftlern und Medizinern am meisten vertrauen. Einer Stimme “wie du und ich” vertrauen 63 Prozent der Befragten. Regierungsbeamte (48 %) und Journalisten (43 %) stehen dagegen mit weniger als 50 Prozent Vertrauen am unteren Ende der Rangliste. 85 Prozent der Befragten gaben an, dass sie mehr Informationen von Wissenschaftlern und weniger von Politikern hören wollen. 58 Prozent der Befragten befürchten sogar, dass die Krise für politische Zwecke aufgebauscht wird. Der CEO des eigenen Arbeitgebers liegt mit 54 Prozent in der Mitte der Rangliste (PR-Journal.de).

Rolle der Medien

Prof. Dr. Matthias R. Hastall, Professor für Qualitative Forschungsmethoden und Strategische Kommunikation für Gesundheit, Inklusion und Teilhabe, Technische Universität Dortmund sagt: „Medien spielen eine extrem wichtige Rolle als Informationslieferant. Ihre Inhalte starten und prägen auch stark persönliche Gespräche. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Menschen in frühen Phasen einer Krankheitswelle Bedrohungen noch verleugnen oder verdrängen. Die Medien sind daran nicht ganz unschuldig, da bei vielen Medien im harten Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser eine gewisse Aufgeregtheit, Übertreibung oder Sensationalismus selbst bei banalen Themen zum Tagesgeschäft gehört. Daher kann es etwas dauern, bis Menschen bemerken, dass die Sorge diesmal gerechtfertigt sein könnte.“ Umso wichtiger sei es, dass Medien möglichst sachlich und konsistent auf die Gefahr, geltende Regelungen und wichtige Schutzmöglichkeiten hinweisen. So könne die Verleugnung und Verdrängung Schritt für Schritt überwunden werden. Umgekehrt könne eine Non-Stopp-Beschallung mit neuen Erkrankten- und Todeszahlen auch zermürben oder Ängste hervorrufen, selbst bei Personen, die sich und ihr Umfeld bereits bestmöglich schützen. Daher sei es wichtig und gut, dass Medien auch viele Angebote zur Ablenkung, Erholung und für positive Gedanken und Empfindungen bereitstellen (sciencemediacenter.de).

Journalistinnen und Journalisten können Menschen helfen, ihr Verhalten an die Bedrohungslage anzupassen. Dabei kann es sinnvoll sein, darauf zu fokussieren, wie notwendige neue Verhaltensweisen für soziale Distanzierung motiviert, eingeübt und sicher angewandt werden können. Forschende aus dem Bereich Verhaltenswissenschaften können hilfreiche Gesprächspartner für journalistische Medienvertreter sein, um zu erhellen, unter welchen Umständen Menschen tief verwurzelte Gewohnheiten, wie häufiges Ins-Gesicht-Fassen ablegen oder wie sich zum Beispiel durch Selbstbeobachtung neue Händewasch-Routinen trainieren lassen. Auch das Wissen darum, dass viele andere Menschen mit an demselben Strang ziehen, kann helfen, sich wichtiges neues Verhalten anzugewöhnen und Sicherheit in herausfordernden sozialen Situationen herzustellen (Sage ich eine Party ab? Gebe ich dem Chef die Hand oder nicht?) (sciencemediacenter.de).

Prof. Dr. Ralph Hertwig, Direktor Forschungsbereich Adaptive Rationalität, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin: „In einer Situation, in der soziale Distanz empfohlen wird, werden mediale und digitale Welten noch wichtiger als sie es ohnehin schon sind. Umso bewusster müssen sich die Medien ihrer Verantwortung sein.“

Das heißt in seinen Augen unter anderem:

  • sachliche Information, die den Bürger aufklärt und ermündigt und nicht gängelt oder gar manipuliert;
  • Informationsangebote, die auf unterschiedliche Nutzergruppen (Kinder versus Erwachsene) und Bildungsvoraussetzungen zugeschnitten sind;
  • Information, die konsequent, transparent und verständlich die Unsicherheit im gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnisstand widerspiegelt und keine falschen Sicherheiten vorgaukelt (sciencemediacenter.de).

Darüber hinaus sollte selbstverständlich auch über die Proportionalität der Berichterstattung nachgedacht werden. Die vielen anderen Probleme, mit denen die Welt zu kämpfen hat, sind durch das Coronavirus nicht verschwunden: globale Erwärmung, die Gefahr des Rechtsextremismus, digitaler Wandel der Lebens- und Arbeitswelt und so weiter. Um den Eindruck eines Medienhypes zu entgehen, sollten auch diese und andere wichtige Themen eine angemessen Medienpräsenz erfahren (sciencemediacenter.de).

Menschen fordern gleichzeitig aber auch einen regelmäßigen Informationsfluss: Laut aktualisiertem Edelman Trust Barometer verfolgen sieben von zehn Befragten die Nachrichtenlage über den Corona-Virus in den Medien mindestens einmal am Tag. 33 Prozent gaben an, dass sie mehrmals am Tag nach Informationen suchen. Von den Arbeitgebern wird erwartet, dass sie die Informationen über Covid-19 regelmäßig aktualisieren. Dabei fordern 63 Prozent mindestens tägliche Aktualisierungen (PR-Journal.de).

Prof. Constanze Rossmann, Expertin für Gesundheitskommunikation an der Uni Erfurt, stellt aber auch klar: „Auf medialer Ebene lässt sich jedoch auch wieder beobachten, dass Informationen zum Teil verkürzt dargestellt werden, Negatives überbetont wird, Informationen auch durch die Bildsprache dramatisiert werden. Dies trifft auf Boulevardmedien stärker zu als auf Qualitätsangebote, was den typischen medialen Berichterstattungsmustern in vielen anderen Bereichen, aber auch in vergangenen Krisen entspricht. Dies kann man den Medien aber nur zum Teil zum Vorwurf machen, weil Platzmangel und Zeitbegrenzungen, etwa in Hörfunkbeiträgen, zwangsläufig zu Kürze zwingen. Dabei sollten Informationen jedoch nicht so gekürzt werden, dass aus einer unsicheren Information zum möglicherweise erhöhten Sterblichkeitsrisiko die Aussage wird, das Coronavirus sei tödlicher als die normale Grippe. Dass eine solche Verkürzung Angst erzeugt, ist vorprogrammiert“ (mdr.de). 

Social Media

In den sozialen Medien wird rege diskutiert und Hashtags wie #Ausgangssperre und #Covid19 führen die Listen der Twitter-Trends an. Großes Interesse besteht auch an Einschätzungen durch Ärzte und Virologen wie Prof. Christian Dorsten von der Berliner Charité, der auf NDR-Info täglich in einem Podcast über das Coronavirus informiert.

In der Corona-Krise merken wir aber auch, dass es leider eine wachsende Gruppe von Menschen gibt, die die aktuelle Berichterstattung nicht mehr regelmäßig verfolgt – vor allem junge Menschen und solche mit niedrigerem Einkommen. Auch an Menschen, die Deutsch nur schlecht verstehen, sollte gedacht werden. Manche haben im wahrsten Sinn des Wortes noch nicht verstanden, wie ernst die Lage ist.

Neben Statements der Bundesregierung und Aufrufen zum solidarischen Umgang mit der Krise werden jedoch auch Panik und Falschmeldungen medial verbreitet. Twitter und Facebook versuchen aus diesem Grund Informationen aus seriösen Quellen hervorzuheben (Deutschlandfunk). Zudem werden Rezipienten zu Besonnenheit und Skepsis gegenüber unbekannten Nachrichtenquellen aufgefordert, insbesondere auf den sozialen Medien und in Messenger-Diensten (Gensingvon Gehlen/Ott). Auch an die Medien selbst wird appelliert, trotz des Zeitdrucks ihre Quellen weiterhin genau zu prüfen (Fischer).

In einer solchen Situation braucht es Kampagnen in den sozialen Netzwerken. Mit Zeitungsanzeigen erreicht man nur bestimmte Gruppen. Das Monitoring von Social Media oder auch Blitzbefragungen können sinnvoll sein, um Gruppen zu identifizieren, die noch nicht begriffen haben, wie ernst es ist. Anschließend kann analysiert werden, wie diese Gruppen mit welchen Ansprachen, Appellen und Botschaften erreicht werden können.

Inzwischen haben das BMG und Jens Spahn in der Tat eine Anti-Corona-Aktion ins Leben gerufen. Unter dem Hashtag „#wirbleibenzuhause“ wird aufgerufen, Videos zu drehen, die zum Daheimbleiben motivieren sollen. Dies soll die Verbreitung des Virus verlangsamen und Menschen schützen. „Für wen bleiben Sie Zuhause?“, fragt das BMG auf Twitter, Facebook und/oder Instagram. Dem Aufruf sind bereits einige Prominente wie Matthias Schweighöfer, Joko Winterscheidt und Johannes Oerding gefolgt. Allein Schweighöfers Beitrag hatte in kürzester Zeit mehr als eine halbe Million Aufrufe. Testimonials können Reichweiten schaffen und in unterschiedliche Filterblasen vordingen.

Blick nach vorn:

In Deutschland gibt es einen starken Föderalismus. Krise bedeutet aber immer auch ein Zurück zum Zentralismus. Österreich hat dies beispielsweise sehr schnell gemacht: Kanzler Sebastian Kurz hat sehr schnell persönlich permanent die Öffentlichkeit informiert, eine Info-Hotline eingerichtet und die Landeshauptmänner eingebunden. So waren Alleingänge einzelner Bundesländer quasi ausgeschlossen.

In Deutschland gibt hingegen einen „Flickenteppich“ an Maßnahmen und auch kommunikative Dezentralisierung. Das führt zu der Gefahr, dass die Bevölkerung nicht genau weiß, woran sie ist. Dies kann mittel- bis langfristig zu einem Problem und einer kommunikativen Herausforderung werden: Es braucht eine einheitliche Kommunikation. Zum Beispiel indem der öffentlich-rechtliche Rundfunk zentral eingebunden wird. Die Sozialen Medien müssen in den nächsten Wochen und Monaten nach Falschmeldungen permanent durchforstete werden.

Der Bevölkerung wird zunehmend klar, dass die Situation nicht in drei Wochen vorbei sein wird und wir alle dann wieder zur Tagesordnung übergehen werden. Die Bundesregierung müsste jetzt damit anfangen, die Menschen auf diese mittel- bis langfristige Situation vorzubereiten. Denn in der ersten Woche war die Situation für alle neu und die Aufmerksamkeit hoch. In der zweiten Woche spielten sich neue Prozesse und Situationen ein und die Menschen gewöhnen sich an den Zustand. Ab der dritten Woche werden sich die Menschen gegenseitig zunehmend auf die Nerven gehen. Die Stimmung wird aggressiver werden. Die Energie muss kanalisiert werden. Es braucht Ventile.

Die Bundesregierung muss dann zur Beruhigung beitragen. Zum Beispiel in dem sie Nachbarschaftshilfen kommuniziert und aufruft sich daran zu beteiligen. Dass Menschen ehrenamtliche Tätigkeiten nutzen und anbieten können. Sinnvolle Beschäftigung zu schaffen und zu kommunizieren heißt das Gebot der nächsten Tage und Wochen.

„Die Corona-Krise ist keine typische Krise. Denn kein Mensch weiß zum aktuellen Zeitpunkt, wie lange diese Krise wirklich dauern wird. Deswegen brauchen die Menschen eine Vision und eine Perspektive, wie es weitergehen wird. Diese Vision muss Politik glaubhaft vermitteln“, sagt Verena Nowotny von Gaisberg Consulting, Wien. Eine vorausschauende Regierung muss Zuversicht vermitteln und kommunizieren. Es braucht ein positives Narrativ, ein „Wir schaffen das!“. Zurzeit heißt es eher „Es ist ernst.“ und „Bleiben Sie zu Hause“. Das trägt nicht zur Deeskalation bei. Deswegen muss die Regierung jetzt positive Botschaften und Narrative entwickeln, um der Bevölkerung Hoffnung zu geben. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die wirtschaftlichen Folgen massiv ausfallen werden.

Corona hat zurzeit eine sehr hohe Aufmerksamkeit (siehe oben). Aber wie kann die Regierung die Aufmerksam für dieses Thema aufrechterhalten, denn irgendwann können die Menschen Corona nicht mehr hören und sehen? Regionalität wird wichtiger werden und einen neuen Aufschwung erfahren. Dabei wird die Frage „Was bedeutet die Lage für mich konkret vor der Haustür?“ zentral sein. Die Themen werden von den Medienmachern weitergedreht werden, damit sie zu den Zielgruppen durchdringen. Die Regierung muss dies im Blick behalten und bei der Kommunikationsplanung berücksichtigen.

Die 7 Thesen gelingender Transformation in Unternehmen

Thomas Voigt, Group Vice President der Otto Group, aus Hamburg war zu Gast in der Bertelsmann Stiftung. Er hat etwa 30 Kolleginnen und Kollegen von seinen Erfahrungen des aktuellen Transformationsprozesses in der Otto Group berichtet. In der Otto – Unternehmensgruppe heißt dieser Veränderungsprozess „Kulturwandel 4.0“. Die Otto Group arbeitet zurzeit mit der Bertelsmann Stiftung an einer Studie zum Thema „Erfolgsfaktoren betrieblicher digitaler Transformationen“. Nach unserer bisherigen Datenlage muss der Vorstand die Transformation leben, sonst bewegt sich nichts. Thomas Voigt konnte dies nicht nur bestätigen, sondern zeichnete ein Gesamtbild der Voraussetzungen gelingender Transformation in sieben Thesen.

(C) Jochen Lange

1. Haltung ändern

„Für den Veränderungsprozess ist eine innere Haltungsänderung zwingende Voraussetzung“, sagte Voigt. Das gelte für alle im Unternehmen. Vom Vorstand bis zum Praktikanten. Beginnen müsse der Prozess in der Tat beim Vorstand, der gesagt hat: „Wenn wir einen Kulturwandel haben wollen, dann müssen wir uns als erste sichtbar verändern.“ Äußerliches Zeichen dieser inneren Haltungsveränderung sei bei der Otto Group die Abschaffung der Kleiderordnung gewesen. „Die Vorstände tragen nicht mehr dunkle Anzüge und Krawatten. Sie treten lockerer und nahbarer auf. Die haben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das „Du“ angeboten“, so Voigt.

2. Wandel vorleben

Außerdem müsse der Kulturwandel im Alltag vorgelebt werden. Deswegen wurden bei Otto auch die „Insignien der Macht“ abgeschafft. Früher hatten in der Otto Group Führungskräfte in der Regel Einzelbüros. Und die Größe und die Dicke der Tür spiegelte den Rang im Unternehmen wider. Je größer die Möbelstücke und Dienstwagen waren, desto wichtiger war die Führungskraft. All das habe die Otto Group abgeschafft. Viele Führungskräfte hätten kein eigenes Büro mehr – Voigt selbst auch nicht – und lebten den Wandel Tag für Tag vor.

3. Purpose gemeinsam erarbeiten

In der Arbeitswelt ist das Stichwort „Purpose“ sehr wichtig. Viele Mitarbeiter wollen einen höheren Sinn bei der Arbeit empfinden. Deswegen machen laut Thomas Voigt viele Unternehmen den Fehler, dass die Führungskräfte ständig neuen „Purpose“ erfinden. Bei der Otto Group hieß der zum Beispiel vor vielen Jahren „Die Kraft der Verantwortung“. Alle waren auf diese Kreation sehr stolz. „Alles super, es wurde gemeinsam gesungen, wir haben damit Kommunikationspreise gewonnen. Alles toll“, erläutert Voigt ironisch. Aber: Der „Purpose“ wurde top down in die Organisation getragen und hat am Ende nicht funktioniert. Was hat die Otto Group daraus gelernt? „Purpose“ von oben zu generieren, bringt nichts. Otto hat deswegen gemeinsam mit allen Mitarbeitern einen Prozess gestartet, bei dem Tausende von Kolleginnen und Kollegen an dem „Purpose“ mitarbeiten, sich beteiligen und Feedback geben konnte. Das schaffe eine viel größere Identifikation damit.

4. Räume schaffen

„Einen Kickertisch in die Ecke zu stellen, und eine Lounge umzubauen, ist noch lange kein Kulturwandel. Es geht nicht um „Schöner Wohnen“. So lautet die vierte These von Thomas Voigt. Im Kern gehe es um eine andere Arbeitsorganisation. Es geht um die Frage, wie die Mitarbeiter zusammenarbeiten. Dabei spielt die Entgrenzung zwischen Berufs- und Privatleben eine Rolle, die Einführung von Home-Office-Möglichkeiten, aber auch von flexiblen Arbeitswelten wie Co-Working-Spaces. Der Top-Manager von Otto erklärt: „Deswegen haben wir den kompletten Campus umgebaut. Wir nutzen jetzt viel mehr die Außenflächen und schaffen Räume der Zusammenarbeit. Dadurch sind wir kreativer und produktiver.“

5. Kommunikation auf Augenhöhe

Das sei für eine Organisation wie die Otto Group ein radikaler Paradigmenwechsel gewesen. Früher seien insbesondere Führungskräfte auf „Senden“ eingestellt gewesen. In der heutigen Kommunikationsarbeit gehe es darum, analoge und digitale Kommunikation unter allen Kolleginnen und Kollegen zu ermöglichen und voranzutreiben. Das helfe, dass sich alle duzen und jeder die Möglichkeit habe, direkt mit den Führungskräften, dem Top-Management und dem Vorstand zu sprechen. „Der Vorstand muss in den Dialog mit den Teams gehen. Zum Beispiel über Collaboration-Tools. Das bedeutet am Ende einen gewissen Kontrollverlust. Und das gilt auch für die Außenkommunikation.“ Letztlich sei alles eine Frage der Kultur, keine der Technik alleine.

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6. Ökosysteme öffnen

In der Otto Group gibt es seit dem Kulturwandel eine steigende Zahl von sehr bunten Veranstaltungen – vom „Mut-Festival“ bis hin zu „Fuck-up-Nights“. Etliche Events seien  im Barcamp-Format, damit sich Mitarbeiter aus den verschiedenen Firmen, Bereichen und Abteilungen untereinander und mit Externen kennenlernen, vernetzen und zusammenarbeiten können. So werden die Kenntnisse der Abteilungen besser genutzt und Probleme schneller gelöst. Voigt: „Sie müssen in der digitalen Transformation ihr Ökosysteme öffnen, sich vernetzen, von anderen profitieren, Austausch schaffen, neue Plattformen kreieren, um dynamische Zusammenarbeit zu ermöglichen. All das ist wichtig, um nicht den Anschluss zu verlieren.“

7. Brüche kommunizieren

Früher habe Otto immer darauf geachtet, dass in der Öffentlichkeit möglichst nur positive Nachrichten erscheinen. „Wir sind die Größten, wir sind so toll, toll, toll“, formuliert es Voigt überspitzt. Das sei der Maßstab der Vergangenheit gewesen. „Heutzutage kann das nicht der Maßstab sein. Das glaubt Ihnen heute auch kein Mensch mehr da draußen. Wir haben erkannt, dass wir im Prozess des Kulturwandels auch und gerade den Prozess mit allen seinen Wirrungen und Schmerzen, dass wir die Brüche kommunizieren müssen“, postuliert der Kommunikationsprofi. Das bedeute, Kontrolle abzugeben, um Neues zu erreichen, so Voigt weiter.

Der Kulturwandel 4.0 laufe jetzt seit etwa vier Jahren in der Otto Group. „Das ist ein sehr langer Prozess und er fängt womöglich jetzt erst richtig an.“

In der anschließenden Diskussion wurde gefragt, was denn eigentlich der Grund für den Kulturwandel war. Was war der Auslöser? Antwort von Thomas Voigt: „Das war ein exogener Schock. Konkurrenten wie Amazon waren auf dem Markt erfolgreicher als wir, obwohl wir viel investiert, technologisch sehr gut waren und unsere E-Commerce-Umsätze kräftig stiegen. Wir haben erkannt, dass wir damals nicht ausreichend zusammen gearbeitet haben, zu wenig offen und am Ende zu langsam waren. Hinzu kam ein negatives Geschäftsergebnis.“ Die Gesellschafter und den Vorstand hat das nach Aussage von Voigt gemeinsam zum Kulturwandel bewegt. „Wir haben damals einfach gemacht. Das war chaotisch. Aber sich auf den Weg dieser Reise zu machen, lohnt sich und macht sehr viel Spaß.“