In einer Welt, in der Information und Manipulation oft nur einen Klick voneinander entfernt sind, stellt sich die Frage: Wie gelingt es Autokraten, mit gezielter und emotionalisierter Kommunikation Demokratien zu destabilisieren und die öffentliche Meinung zu beeinflussen?
In einer vernetzten Welt ist Kommunikation weit mehr als der Austausch von Informationen – sie hat eine strategische Komponente, sie ist ein Machtinstrument. In ihrem aktuellen Buch „Die Achse der Autokraten“ zeigt die renommierte Historikerin und Journalistin Anne Applebaum eindrücklich, wie autoritäre Regime globale Kommunikationskanäle nutzen, um ihre Macht zu sichern, demokratische Systeme zu destabilisieren und ihre Narrative international zu verbreiten. In Zeiten wie diesen eine Pflichtlektüre für aufrechte Demokrat:innen und Kommunikator:innen.
Kommunikation als geopolitisches Machtinstrument
Autokratische Staaten sind längst nicht mehr auf physische Repression oder militärische Drohungen beschränkt. Sie setzen auf subtile, aber effektive Weise Kommunikationsstrategien, um Gesellschaften zu beeinflussen, Desinformation zu verbreiten und alternative Realitäten zu erschaffen. Applebaum beschreibt, wie Staaten wie Russland, China oder Iran ihre Mediennetzwerke gezielt ausbauen, um eigene Perspektiven global zu etablieren.
Verbreitung von Desinformation und Fake News
Ein zentrales Thema des Buches ist die gezielte Verbreitung von Desinformation. Applebaum analysiert, wie autokratische Regime mit Fake News die öffentliche Meinung manipulieren und demokratische Institutionen untergraben. Besonders effektiv ist dieses Instrument in sozialen Netzwerken, wo emotionale, polarisierende Inhalte oft größere Reichweite erhalten als faktenbasierte Berichterstattung.
Durch Trollfabriken, Bots und koordinierte Kampagnen werden Zweifel gesät und politische Gegner:innen diskreditiert. Ein Beispiel ist die russische Einmischung in vergangene Wahlen, bei der gezielt falsche Narrative gestreut wurden, um Unsicherheit zu schaffen und das Vertrauen in demokratische Prozesse zu erschüttern.
Die Studie „Verunsicherte Öffentlichkeit“ der Bertelsmann Stiftung aus dem Februar 2024 zeigt, dass 81 Prozent der Befragten meinen, dass es sich bei Desinformationen
um ein reales Problem handle, das eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und dieDemokratie darstellt. Die Befürchtung besteht, dass Desinformation politische Meinungen und Wahlen beeinflussen soll.
Vor der Bundestagswahl 2025 wurden laut correctiv.org vermehrt Desinformationskampagnen beobachtet. Manipulierte Grafiken, erfundene Behauptungen über Kandidierende und gezielte Falschinformationen kursierten im Netz, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Dies verdeutlicht die von Applebaum beschriebene Strategie autokratischer Regime, demokratische Prozesse zu untergraben.
Kontrolle über Meinungsfreiheit und Medien im eigenen Land
Applebaum zeigt auf, dass Autokraten nicht nur externe Kommunikationsstrategien verfolgen, sondern auch im eigenen Land eine strikte Kontrolle über die Medienlandschaft aufrechterhalten. Kritische Journalist:innen werden zum Schweigen gebracht, unabhängige Medienhäuser übernommen oder durch gesetzliche Vorgaben massiv eingeschränkt.
Chinas „Große Firewall“ verhindert beispielsweise, dass Bürger freien Zugang zu Informationen haben. Gleichzeitig investiert die Regierung massiv in KI-gestützte Überwachungstechnologien, um nicht nur öffentliche Kommunikation zu kontrollieren, sondern auch individuelle Meinungsäußerungen in sozialen Netzwerken zu regulieren.
Austausch zwischen Autokratien: Ein globales Netzwerk der Kontrolle
Ein besonders brisantes Kapitel in Die Achse der Autokraten beschreibt die wachsende Zusammenarbeit zwischen autoritären Staaten. Applebaum schildert, dass diese Regime nicht nur ihre Narrative abstimmen, sondern auch Technologien und Know-how im Bereich der Meinungsmanipulation austauschen.
So hilft China anderen autoritären Staaten, eigene Überwachungsinfrastrukturen aufzubauen, während Russland seine bewährten Desinformationskampagnen weitergibt. Iranische Medien übernehmen russische Propaganda, während autoritäre Regierungen in Afrika und Südamerika gezielt mit chinesischen Plattformen kooperieren. Diese „Achse der Autokraten“ arbeitet über Ländergrenzen hinweg zusammen, um freie Gesellschaften herauszufordern.
Warum Menschen auf Populisten hören
Applebaum erklärt auch, warum Populisten mit ihren einfachen Antworten und klaren Feindbildern oft so erfolgreich sind. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit, gesellschaftlicher Spaltung oder politischer Krisen sehnen sich viele Menschen nach Stabilität und klaren Lösungen. Populisten nutzen diese Unsicherheiten gezielt aus, indem sie komplexe Probleme auf eingängige Schuldzuweisungen reduzieren und sich als vermeintliche Stimme des „wahren Volkes“ präsentieren. So erzeugen sie Loyalität und binden Anhänger an ihr Narrativ – oft unabhängig von der faktischen Wahrheit.
Die Strategie populistischer Kommunikation
Ein wesentliches Merkmal populistischer Kommunikation ist ihre Einfachheit, Emotionalisierung und Wiederholungsstruktur. Populistische Aussagen sind oft kurz, prägnant und redundant, um eine maximale Wirkung zu erzielen. Schlagworte und eingängige Parolen werden stetig wiederholt, sodass sie sich im Bewusstsein der Menschen festsetzen. Diese Technik verstärkt den Eindruck von Klarheit und Unumstößlichkeit, selbst wenn die Inhalte wenig fundiert sind. Zudem spielen Emotionen eine zentrale Rolle: Durch Übertreibungen, Dramatisierungen und das bewusste Schüren von Angst oder Empörung werden Menschen emotional gebunden und rational-kritische Reflexion erschwert.
Was bedeutet das für Demokratien und Unternehmen?
Die Erkenntnisse aus Applebaums Buch sind für Demokratien ebenso relevant wie für Unternehmen und Institutionen. In einer Zeit, in der Wahrheit zur Verhandlungsmasse geworden ist, brauchen wir Strategien, um Desinformation entgegenzuwirken:
- Medienkompetenz stärken – Bürger müssen lernen, Quellen kritisch zu hinterfragen und Desinformation zu erkennen.
- Transparenz fördern – Unternehmen und Organisationen sollten klare Kommunikationslinien aufbauen und Falschinformationen frühzeitig adressieren.
- Technologie mit Verantwortung nutzen – Social-Media-Plattformen müssen stärker in die Pflicht genommen werden, um manipulative Inhalte zu kennzeichnen oder zu entfernen.
- Internationale Zusammenarbeit intensivieren – Demokratien sollten gemeinsame Standards im Kampf gegen Desinformation entwickeln und austauschen.
Fazit: Kommunikation ist Macht
Anne Applebaum verdeutlicht, dass Kommunikation im 21. Jahrhundert eine machtstrategisch relevante Komponente ist. Autokraten haben dies längst erkannt und nutzen moderne Technologie, um ihre Narrative weltweit zu verbreiten. Demokratien dürfen diesem Trend nicht tatenlos zusehen – sie müssen Kommunikationsstrategien entwickeln, die auf Transparenz, Wahrheit und Widerstandsfähigkeit setzen.
Wer in einer vernetzten Welt erfolgreich kommunizieren will, darf nicht nur darauf vertrauen, dass Wahrheit sich von selbst durchsetzt. Wahrheit muss verteidigt werden – aktiv, bewusst und strategisch.
Quellen:
https://www.penguin.de/buecher/anne-applebaum-die-achse-der-autokraten/buch/9783827501769
https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/UpgradeDemocracy/2024_UpDem-Studie-Verunsicherte-OEffentlichkeit_DE.pdf (abgerufen 10.02.2025)
https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2024/12/02/bundestagswahl-2025-diese-falschbehauptungen-fakes-und-geruechte-kursieren/?utm_source=chatgpt.com (abgerufen 10.02.2025)